Erfahrungsbericht 2. Teil (nun mit etwas Gewöhnung):
Mein Thread richtet sich primär an diejenigen, die noch keinen Polestar haben und ähnliche Fragen / Bedenken wie ich bzw. eine ähnliche Situation und Einstellung (siehe oben ganz am Anfang). Ich glaube (und weiß es aus meinem Freundeskreis) dass es vielen so geht und man um den VW ID3 / 4 rumschleicht, mit Spannung die Entwicklung von Tesla verfolgt und eben hier und da auf Polestar stößt.
Nun habe ich hoffentlich weitgehend reflektiert meine Erwartungen gegen die ersten Erfahrungen gespiegelt und es scheint in den Kommentare anderen ähnlich gegangen zu sein. Auch fand ich interessant zu lesen, dass auch andere nach dem Lesen vieler Beiträge hier im Forum eher verschreckt waren, da doch die Probleme sehr oft im Vordergrund standen.
Dazu denke ich - weil ich es in meinen PS Frustphasen ganz ähnlich benutzt habe - muss man mit etwas psychologischen Gespür die Beiträge lesen.
- Wer zufrieden ist, der fährt und macht keine „Werbung“ das das Auto tut was es soll.
- Wer unzufrieden ist, weil zB Versprechungen nicht gehalten werden (Reichweite, App, Winterreifenlagerung) oder schlicht Dinge nicht funktionieren (bis zum Abschleppen nach Totalausfall) der lässt Dampf ab und schreibt sich das von der Seele bzw. springt auf andere Threads auf.
Genau deshalb habe ich mir überlegt, meine Gedanken hier teilen. Ich fand die ersten Erfahrungsberichte im Herbst damals einfach schön zu lesen und wer wie ich eben noch nicht ewig andere E-Autos fuhr, für den ist die Investition von über 50.000 in einen PS per se schon ein ziemliches Wagnis. Nun also etwas dezidierter zu einigen Aspekten nach nunmehr 1.500 km Eigenerfahrung und dem Wandel des „Desillusionierten“ zu jemanden der das „new normal“ seines Autos akzeptieren lernt.
a) Reichweitenangst
Einige sagen es sein Unsinn, ständig von der Angst begleitet zu werden die Reichweite würde nicht reichen. Nun denn, das sehe ich inzwischen rational teilweise auch so, dennoch ist dies der Punkt der ehrlich betrachtet doch nach wie vor der entscheidende Nachteil gegenüber jedem Verbrenner ist.
Zum Einen, weil selbst mit einem Polestar und über 70 KW Batterie die Reichweite ständig präsent ist. Im Display kann man jedes Prozentpünktchen verfolgen das da verloren geht und wer wie ich heute mit 90% startet und dann mit 70% wieder ankommt (Einmal Hamburg Eimsbüttel nach Ohlsdorf uns zurück) fragt sich schon wo der Strom eigentlich so hinfließt. Natürlich ist es gänzlich unproblematisch wenn die Angst wäre, der Akku ist leer und man kommt nicht weiter, es gibt zahlreiche Ladesäulen auf dem Weg und man könnte jederzeit nachladen. Aber die Vorstellung zB mit 30% zu fahren und dann plötzlich unter 10% zu landen ist nicht schön. Wer hat schon Lust seine Zeit an einer 11KW Ladesäule zu verbringen wenn er eigentlich irgendwo ankommen möchte. Und wer hat schon Lust jeden Tag überhaupt eine öffentliche Ladesäule anzufahren an der man dann nur max. 2h stehen darf (also ca. 20kw lädt)? Ich habe diese Sorge bei meinem Verbrenner nicht, da schaue ich in HH erstmals nach dem Tank wenn die Reserveleuchte blinkt.
Daher mein Fazit nach wie vor: Es ist bei Auto ebenso nervig wie beim Handy wenn man ständig den fallenden Akkustand anschauen muss. Auch die Reichweitenzahl in km (die bei 70% immer noch ca. 300km lt. Display wären) beruhigt gar nicht, weil man schon nach 1 Woche weiß das sie nicht verlässlich ist. Ich denke ich wäre auch nicht beruhigter, wenn ich eine private Wallbox hätte.
Das, liebe Interessenten, wird wohl im Kopf noch eine Weile mitfahren.
Ich sehe aber auch, das man sich schnell daran gewöhnt das es eben so ist. Die Strecke HH - B bin ich nunmehr auch bei geringerem Verbrauch (27 KW/100km) gefahren und komme dennoch nicht bis nach Hause. Tja, nunmehr denke ich mir halt, so ist es eben. Es gibt gute Schnelllader an der A24 und bislang war immer einer frei. Auch vergeht die Zeit doch schneller als gedacht wenn man erst mal denkt es dauert hat. Und man denkt es schnell - kann mich schon kaum nich dran erinnern wie das so mit der Zapfsäule mal war ;-). Dann sind 20-30 Minuten (die bei 3 Stunden fahrt natürlich schon einen Unterschied machen dennoch plötzlich völlig ok.
b) Die Ladersäulen
Tja, hier lerne ich jeden Tag neu. Sicher ein wichtiger Aspekt für Leute die zweifeln ob sie sich damit wohlfühlen. Bislang hat es immer geklappt da zu laden wo ich musste bzw. wollte. Aber: Sowohl in Hamburg als auch in Berlin häufen sich die E Autos und das merkt man dann doch an der Verfügbarkeit. Ich musste nun schon mehrfach weiterfahren weil die in der App als frei angezeigte Ladesäule nicht frei war (zugeparkt von E Autos wie von Verbrennern) oder schlicht irgendwie nicht funktionierte. Dennoch - und das beruhigt zumindest für den Moment - es gab immer einer Alternative.
Dann aber mal zu den Regeln und der Praxistauglichkeit für den PS: Sowohl in Hamburg als auch in Berlin ist die Ladedauer tagsüber begrenzt. In Hamburg auf 2 Stunden bis 20 Uhr und in Berlin auf 4 Stunden bis 18 Uhr. Das hat seine Tücken… Der PS lädt zwar meines Erachtens fast durchgebend mit den möglichen 11K, also braucht er ca. 5-6 Stunden um auf 90% zu kommen (man hat ja immer noch was drin), aber eben nicht 2 Stunden. Dann muss man Abends laden und eben über Nacht. Das wollen aber viele was dazu führt, dass Abends kaum ein Platz mehr frei wird (alles Anwohner). Also, das umparken ist mühsam - da muss man sich als PS Fahren was anderes überlegen, ich werde versuchen bei der Arbeit eine Wallbox zu installieren.
Ansonsten muss ich sagen, dass ich total positiv überrascht bin wie schnell und routiniert ich das mit Ladesäulen aller Art hinbekomme und wie selbstverständlich das schon nach 1,5 Wochen geworden ist. Selbst als mal was nicht klappte in Berlin, ein Anruf bei der Hotline, die Säule wurde neu gestartet und alles war gut. Auch im Jonglieren der ganzen Ladekarten bin ich souveräner geworden. Naturstrom wenns lange dauert, Shell in Hamburg, EnBw+ in Berlin tagsüber und Plugsurfing an exotischen Orten (wobei Shell auch meist geht)
c) Fahrverhalten / Störungen
Fährt nach wie vor in allen Lebenslagen und Witterungsbedingungen wirklich hervorragend. Es macht Spaß und das sollte jeder Interessent auch wissen. Das Ökobewusstsein ist irgendwie befriedigt und dennoch eines der angenehmsten und dennoch sportlichsten Autos die ich je fuhr. Wo ist das ABER? Siehe Punkt a). Der Wagen fährt ganz wunderbar auf Autobahnen mit 180 km/h, er beschleunigt nicht nur aus Spaß gut, er fährt einfach herausragend agil. Nur wenn man dann die Restreichweite bis zu FastNed (meine örtliche Schnelladesäule an der A24) anschaut, dann kommt sie auf, die Angst zu schnell zu fahren… Völlig ok für Leute die ohnehin maximal 120 Km/h fahren würden oder einen Kleinwagen mit wenig PS gewöhnt sind, aber eben ganz ganz anders für Leute die bislang auch ein Auto für 50.000 Auto hatten und 150 km/h als Reisegeschwindigkeit normal finden.
Hier frage ich mich nun, ob ich den PS2 in der Ausstattung wieder kaufen würde oder ob mir ein PS2 mit nur einem Motor und 200 PS und eine Geschwindigkeit bis 150 km/h nicht völlig reichen würde. Also quasi einen VW ID3 im Polestar Gewand…
d) Das Google:
Es ist nach wie ungewohnt mit so einem großem Display zu fahren, es hat seine Vorteile aber auch irgendwie stört es ständig diesen Bildschirm zu sehen. Man kann es auch nicht ausschalten (zumindest habe ich noch nich gefunden wo), da es aber auch die Heizung steuert wird es wohl gar nicht ganz ausgehen. Allen die ähnlich skeptisch zu dem Trend zu immer mehr Ipad Feeling im Cockpit sind sei jedoch gesagt, es ist funktioniert sehr intuitiv und ist auch während der Fahrt weit besser zu bedienen als so manch anderes (BMW, Audi etc.) Die Freisprechanlage im Telefon ist auch wunderbar - schön auch dass man die Fotos der Kontakte dann sieht (vermutlich nichts besonderes heutzutage aber mich freut es). Weniger schön die Programmierung der Favoriten, das klappt bei mir und dem Iphone nicht. Auch sonst sind alle „Fehler“ die ich bislang bemerkt hatte im Andoid System verankert. Die Standheizung geht manchmal nicht an, die Verkehrzeichenerkennung lässt sich hin und wieder nicht ausstellen (die nervt weil sie einfach nicht zuverlässig funktioniert, gerade in der Stadt wo Tempo 30 Zonen nie richtig interpretiert werden (Schule, Nachtruhe etc.).
Aber ich habe heute auch mal neue Apps installiert, zB EasyPark. Das sieht wirklich gut aus, und es gibt da eine Kameraerkennung, also man fährt in die Garage und braucht kein Ticket weil die Schranke mit dem Auto kommunizieren kann (so die Theorie, werde es mal ausprobieren sobald man aus dem Lockdown raus ist und wieder EKZ aufsuchen mag).
Ich denke, hier ist man wirklich gut bedient, auch wenn so vieles noch nicht ganz fertig zu sein scheint (zB die Ladestationssuche bei Google Maps) und das Radio. Da war ich anfangs doch viel skeptischer und finde es nun wirklich gut und hilfreich - möchte es gar nicht mehr missen (vielleicht mit einem dezenteren Screen).
Meine Kinder lieben das Hey Google, mich persönlich vermag die Sprachsteuerung nicht zu begeistern. Zu oft muss man was wiederholen, auch wenn es im Grunde schon gut funktioniert. Ist aber Geschmackssache, ich persönlich würde nicht auf die Idee kommen die Heizung mit einem Sprachbefehl zu steuern wenn ich einen Regler zur Hand habe.
Fazit zum Wochenende:
Man gewöhnt sich schnell ans Auto, es ist neu und vertraut zugleich, wirklich eine gute Kombination. Es fährt ohne Tadel - nach wie vor (trotz einer zeitweisen Fehlermeldung zur Motorkühlung). Die Alltagstauglichkeit ist voll und ganz gegeben wenn man sich an das Thema Reichweite und Dauer der Ladung erst mal gewöhnt hat. Denke wenn ich dann mal weniger Fahre als jetzt gerade, wird es mich auch noch weniger stören. An einer Aral Ladesäule mit 150 kw bin ich auf eine Ladeleistung von 130kw gekommen bis ca. 50%, das ging dann wirklich flott, danach 87 KW.
Auch wenn ich nach wie vor etwas desillusioniert bin so weicht es langsam der Freude an dem was ich habe und dem Gefühl ein wirklich gutes und rundum ausgereiftes Auto zu haben. Die Erfahrungen mit dem Support verblassen und das Auto steht für sich - es war eine gute Wahl unter dem was heute zu haben ist. Habe meinen Diesel SUV daher erst mal in einer Garage geparkt und werden nun 6 Monate warten bis ich mich ganz von ihm trenne. Mal sehen was noch passiert.