Erfahrungsbericht nach einem Jahr Polestar 2

Ein Jahr und 26500 km ist es nur her, dass ich meinen Pepe in München abholen durfte.
Ich möchte hier kurz (oder auch nicht ganz so kurz) meine Erfahrungen und Ansichten teilen.
Wem das Folgende zu lange ist, der kann einfach ganz nach unten scrollen zum Fazit.

Aller Anfang war doch etwas schwer: Corona, der Rückruf von dem mein Wagen glücklicherweise nicht betroffen war und die doch sehr unübersichtliche Lage zum Stand von Bestellung, Fahrzeug und Auslieferzeitpunkt. Aber egal, irgendwann war der Tag gekommen und ich bin mit dem Zug nach München um meinen Wagen abzuholen.
Die erste Fahrt war bei ebenfalls milden Wintertemperaturen von München nach Nürnberg und bei Ankunft waren noch weit über 50% im Akku. Also ein sehr erfolgreicher Einstand.
Schnell wurden die Unterschiede zu meinem vorherigen Fahrzeug (i3s) deutlich. Gerade der Verbrauch im Winter in der Stadt auf kurzen Strecken war doch haarsträubend höher. Wo der i3 noch mit rund 16-20 kWh/100km zu bewegen war, war der Polestar unmöglich unter 20 zu bekommen und der Verbrauch eher im Bereich 28 -37 kWh/100km. Auf meiner Arbeitsstrecke (60km) war der Unterschied allerdings deutlich geringer. Hier standen rund 18-22 kWh einem Verbrauch von 22 - 28 kWh gegenüber.
Bei dem Unterschied im Fahrzeuggewicht, der Reifenbreite und der Tatsache, dass ich jetzt einfach schneller fahre als zuvor für mich durchaus im Rahmen.
Ich war von BMW gewohnt ein recht stabil funktionierende App mit einigen nützlichen Funktionen zu haben. Beim Polestar gab es nur das Versprechen, dass eine App bald kommen würde.
Ich war gewohnt, dass die Ladeleistung zu jeder Zeit und auch bei allen Bedingungen schnell erreicht und stabil gehalten wird. Beim Polestar war das eher ein Glücksspiel, die Ladekurve ein wirres Gebirge und die 150kW ein Phantom, das niemand so wirklich je auf einer Anzeige gesehen hatte.
Auch die Erwartungshaltung aufgrund von Android Automotive und des App Store waren hoch: Da kommt bestimmt bald jede Menge tolles (unnützes) Zeug, das ich installieren kann. Aber auch hier folgte in den Monaten eher Ernüchterung.
Insgesamt waren die Erwartungen sehr hoch und es wurde mehr versprochen als geliefert wurde aber im Kern wurde das geliefert was ich erwartet und erhofft hatte. Ein wunderschönes, gut funktionierendes Auto, das unglaublich viel Spaß macht es zu fahren.
Tatsächlich ist der Polestar ein zuverlässiger Begleiter und ich bliebt von nahezu allen Problemchen die hier durchs Forum geistern verschont.
Doch werfen wir einen kurzen Blick auf die Entwicklungen im Jahr 2021 und wie Polestar (wenn auch sehr langsam) die Lücke zwischen Erwartung / Versprechungen und Realität geschlossen hat und das immer noch tut.

Mein Wagen war von Anfang an OTA fähig und daher war hier das erste Update ein Abenteuer. Wenn ich mich recht erinnere kam mit dem Update die App und der Digital Key. Alles lief wie geschmiert und ich nutze den DK seit er verfügbar ist. Es gab zu Beginn einen Schluckauf im Server / Handy / Auto der mich dazu bewegte den Activity Key in Alu gewickelt am Schlüsselbund zu behalten.

In Sachen Apps wurde ein großer Wurf gemacht indem ABRP veröffentlicht wurde. Eine super Sache, wenn auch die App sehr ressourcenintensiv zu sein scheint und stabiler laufen könnte.
Es folgten weitere Updates und Apps mit mehr oder weniger Inhalt. Klimatisierung über die App, easypark, Verbesserungen in Google Maps. Ein Bisschen mehr Effizienz hier und da, aber im Grunde nichts weltbewegendes und nichts was man so wirklich stark bemerken konnte.

Dem großen Klagen in Bezug auf das Laden wurde ein Ende bereitet indem Polestar den IONITY Deal veröffentlichte mit dem 1 Jahr lang an allen Stationen des wohl zweitbesten, europaweit verfügbaren Ladenetz (ich brauche die Nummer 1 sicher nicht zu nennen) für 0,35€/kWh geladen werden kann.

Der Polestar Mediplayer brachte erstmalig Videos ins Auto, wenn auch der verfügbare Inhalt etwas überschaubar war. Trotzdem war ich super begeistert über dieses Gimmik und war froh zu sehen, dass auch diese Versprechungen eingehalten wurden.

Die Verbesserung der Ladekurve sehe ich hingegen als weniger großen Wurf an. Das altbekannte Ladegebirge mit seinen wirren Sprüngen hat zwar niemals die versprochene Peak-Leistung erreicht, war aber am Ende des Tages genau so schnell von 10-80% wie die neue Ladekurve die tatsächlich bei 155kW Peak beobachtet werden kann. Tatsächlich ist man jetzt vielleicht etwas schneller auf 60% wirklich relevant schneller ist das aber nicht.

Dann ging es zum Jahresende doch nochmal Schlag auf Schlag.
Nach einigem Chaos mit den Updates und Revisionen kam P1.7 und war ein echt großer Sprung. Das Vorkonditionieren des Akkus bei Navigation an eine CCS Säule ist im Winter ein echter game-changer. Fantastisch, dass man jetzt auch im Winter eine Ladekurve fast wie im Sommer hat. Das können aktuell noch nicht viele andere Fahrzeuge.

Der ECO Modus hat es tatsächlich geschafft den doch recht hohen Kurzstreckenverbrauch im Winter zu senken, wenn es auch etwas kühler im Fahrzeug bleibt. Für mich OK.

Für mich kam dann wie aus dem Nichts das Performance Upgrade. Selbstverständlich ist das ein reines Nice to have und 300kW sollten ausreichen, aber natürlich musste ich es sofort haben und am 1.12. sofort auf den Knopf gedrückt als er verfügbar war. Aber vor allem habe ich es gefeiert, dass es sowas jetzt gibt.

P1.8 brachte dann auch den DK wieder die Funktion zurück die kurz nach P1.7 nicht mehr gegeben war und funktioniert jetzt besser als jemals zuvor.

Last but not least kam dann noch pünktlich zu Weihnachten ein Gimmik, das wohl auch niemand erwartet hatte: Der Vivaldi Browser. Jetzt ist es endlich möglich Youtube, Twitch usw. zu sehen oder einfach im Internet zu surfen.

Seht es mir nach, wenn die Chronologie nicht perfekt passt und ich ein Gimmik vergessen habe, das euch vielleicht wichtig gewesen ist. Aber ich meine doch, dass man hier eindrucksvoll sehen kann, dass sich eine Menge getan hat.
Auch in Bezug auf Kommunikation und Informationen hat Polestar in meinen Augen einen Stand erreicht, den ich als Benchmark bezeichnen würde. Es gibt Q&As zu relevanten Themen, Vorab-Informationen (wenn auch über facebook), es werden Informationen veröffentlicht, wenn es zu Problemen kommt und z.B. ein Update ausgesetzt werden muss, es wird für jedes große Update ein Funktionsumfang veröffentlicht. Für das P1.8 gab es auch erstmals eine SMS, dass das Update jetzt verfügbar wäre.
Bei allen vorherigen Fahrzeugen konnte ich mir sicher sein, dass sich NIEMAND für das interessiert, was ich mir als Nutzer des Produkts wünsche. Bei Polestar habe ich sehr wohl das Gefühl, dass man auf die Kunden hört und versucht ein bereits verkauftes Produkt noch weiter zu verbessern.

Was ist also nun mein Fazit:
Ich liebe diesen Wagen und würde ihn wieder genau so bestellen.
Er bietet alles was ich mir gewünscht habe:

  1. Genug Power um fast alle Fahrzeuge aus der Verbrennerwelt in den Schatten zu stellen / bis 210 mitzuhalten
  2. Ausreichende Reichweite
  3. Gute, stabile Performance beim Laden
  4. Tolles Design und Qualität sowohl innen als auch außen
  5. Exklusivität

Zwei Wünsche hätte ich noch:

  1. Verbesserungen im Verbrauch auch wenn ich weiß, dass es hier technische Limits gibt
  2. Ladeleistungs-Upgrade das die Ladezeit 10 - 80% auf um die 30 min senkt. Bis so 1000€ würde ich sofort bestellen.
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Sehr schöne und auch aus meiner Ansicht treffende Schilderung. Ich bin auch sehr glücklich, daß bis dato die Stöhnlins keinen unlauteren Mucks von sich geben. Jedoch bin ich mit der Blauzahn-Reichweite zur App sehr unzufrieden. Offenbar ist die Verbindung bei angemessener Reichweite recht störanfällig auch im Vorstadt-Bereich. Meine Bose-NC-Kopfhörer sind im Flieger zuverlässiger mit dem iPhone verbunden als dasselbe mit dem Polestar auf nicht einmal zehn Meter. Man muß sich halt Ziele setzen.