So, nach etwas über einem Monat mit dem „Auto nach dem PS2“ will ich euch einen kleinen Vergleich nicht vorenthalten.
Nachdem ich nach diversen Probefahren (IONIQ 5/6, EV6, BMW iX3 / i4, Peugeot e-208, Honda e, Cupra Born, Renault Megane E-Tech) lange überzeugt war, den 2024 PS2 LR SM zu bestellen, kam relativ unerwartet der BMW i4 in die Auswahl. Unerwartet deshalb, weil der eigentlich deutlich außerhalb des Budgets lag, BMW aber seit Mitte des Jahres massive Rabatte gewährt (bei Kauf über 20%). Letztlich habe ich für einen fast voll ausgestatteten i4 edrive40 also 1.500€ mehr gezahlt als für einen vergleichbaren PS2 LR SM.
Die Lieferzeit war übrigens galaktisch - 1,5 Monate von Bestellung bis Abholung.
Mein Vergleich ist hier also zwischen einem 2021er-Polestar 2 LR DM mit Plus- und Pilot-Paket auf 19" Rädern und einem sehr gut optionierten BMW i4 edrive40 (M-Sportpaket, Driving Assistant Professional, Laserlicht, HUD, adaptives M-Fahrwerk) auf 19" Rädern. Den 2024er PS2 bin ich leider noch nicht gefahren.
Was kann der i4 besser als der PS2?
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Komfort in jeder Hinsicht. Die Kabine ist deutlich leiser, gerade bei höheren Geschwindigkeiten. Das Fahrwerk ist wesentlich besser gedämpft, es feder weicher ein und ist trotzdem straff genug (optionales adaptives Fahrwerk, das Serienfahrwerk ist etwas schwammig).
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Qualität. Mein 2021er PS2 klappert deutlich von den C-Säulen her und hat das bekannte Rattern der hinteren Antriebswellen. Der Innenraum ist extrem gut verarbeitet, die Materialien sind gut gewählt. Da kann auch Mercedes einpacken.
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Effizienz. In der Stadt liegt er gleichauf mit dem PS2 LR DM (!), aber auf der Autobahn kommt die bessere Aerodynamik deutlich zum Tragen, gerade ab 130 km/h. Beide Autos fahre ich mit Eco-Klima, die beim Polestar offenbar aggressiver ist, daher die besseren Verbrauchswerte in der Stadt.
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Assistenzsysteme. Es funktioniert alles um 1-2 Klassen besser: Tempolimit-Erkennung, Tempolimit-Übernahme (gibt’s auch automatisch), Lenkassistent (funktioniert bis zur Vmax), ACC bremst schön weich ab, selbständiges Einparken.
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App. Funktioniert bisher fehlerlos und bietet sämtliche Funktionen, die man braucht oder auch nicht braucht. Dagegen ist die Polestar-App schon eine mittlere Frechheit.
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Fahrdynamik. Der i4 lenkt besser ein und schiebt nicht über die Vorderachse. Er liegt etwas satter auf der Straße, aber nur mit dem adaptiven Fahrwerk.
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Einstellmöglichkeiten. Man kann jeden sinnvollen und -losen Kram einstellen. Fenster automatisch an einem bestimmten Standort herunterfahren? Läuft.
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Ladeplanung. Eigentlich ebenbürtig mit dem PS2, aber man kann detaillierter einstellen, wo man wie mit welchem Ladestand ankommen möchte.
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Laden. Das ist etwas komplexer. Verglichen mit dem vor-2024er PS2 ist der i4 deutlich schneller (28min). Der 2024er PS2 ist auf dem Papier genauso schnell. Allerdings hat der i4 seit diesem Jahr eine dynamische Ladekurve, d.h. auch wenn bei deutlich mehr als 10% angeschlossen wird, legt er für einige Minuten mit 205 kW los und drosselt erst dann herunter. Das dürfte gerade suboptimal platzierte, kurze Zwischenstopps beschleunigen.
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HUD. Es gibt eins.
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Physische Knöpfe. Der iDrive-Controller ist beim Fahren wirklich hilfreich und hebt das sonst etwas schlechtere Infotainment auf ein Level mit dem PS2.
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API. Die API ist zugänglich und eine Integration für Home Assistant ist verfügbar. Das ist gerade für Leute mit PV-Anlage sehr hilfreich.
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Getränkehalter… es gibt zwei.
Was kann der PS2 besser als der i4?
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One Pedal Driving. Hat der i4, man muss es aber jedes Mal aktivieren. Das ist nicht dramatisch, geht aber besser. Will man nicht die höchste Rekuperationsstufe, muss man von B auf D schalten und auf OPD verzichten - nervig. Die Rekuperation ist beim PS2 insgesamt stärker.
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Bremsverhalten. Am meisten stört mich aber das Verhalten beim Anhalten mit OPD. Der PS2 rollt immer sanft aus, wenn man das Strompedal komplett wegnimmt. Der i4 bleibt regelmäßig recht abrupt stehen, als würde er ganz am Ende des Ausrollens die Handbremse anziehen. Insbesondere bergauf ist das ziemlich nervig. Der Grottenolm namens BMW iX macht es wie der Polestar, weshalb der i4 das nicht schafft, weiß wohl nur BMW.
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Navigation. Google Maps ist unschlagbar, auch wenn das BMW-Navi besser als erwartet funktioniert. Die Ladeplanung nimmt sich wenig (s.o.).
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Pedalkalibrierung. Der PS2 macht exakt das, was der Fuß vorgibt. Der i4 zögert immer eine Viertelsekunde, bevor etwas passiert. Es ist eine deutliche Umstellung, die mir nicht leicht gefallen ist. Das war meine größte Sorge beim Kauf des i4, aber mittlerweile stört es mich nur noch selten.
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Panoramadach. Gibt’s nicht beim i4. Das Schiebedach schränkt die Kopffreiheit ein. Ein hellerer Innenraum wäre wünschenswert, gerade weil der Dachhimmel schwarz ist.
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Lenkung. Der i4 ohne Sportlenkung (Teil des adaptiven Fahrwerks) fährt sich nicht sportlich. Die Lenkung im PS2 ist aktiver, wenn auch genauso gefühllos, und animiert mehr zum sportlichen Fahren.
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Frunk / Froot. Der fehlende vordere Stauraum beim i4 stört mich regelmäßig, weil das Ladekabel dadurch immer im Kofferraum herumliegt. Es gibt aber seitliche Vertiefungen, in die das Kabel passt, dadurch ist es nicht so dramatisch.
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Adaptives Fernlicht. Das Pixel-LED-Licht ist dem in die Jahre gekommenen Laserlicht des i4 deutlich überlegen. Es reagiert deutlich schneller auf Fahrzeuge, blendet schneller wieder auf, das Kurvenlicht reagiert zügiger. Das Laserlicht dürfte auch verschleißanfälliger sein, da hier physisch Spiegel im Scheinwerfer verstellt werden. Nur auf der Autobahn ist das Laserlicht besser, weil man es aktiv lassen kann und trotzdem keine LKW geblendet werden.
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Menüstruktur. Die Menüs im PS2 sind meiner Meinung nach das beste, was bisher in einem Auto verbaut wurde. Einfach, klar, große Buttons. Der i4 ist vielerorts zu kleinteilig, was vielleicht auch an der Optionsvielfalt liegt.
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Updates. Der i4 bekommt alle halbe Jahr ein OTA-Update, die wohl 80% der Zeit auch funktionieren. Großartig neue Funktionen gibt’s aber nicht.
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Antritt. Ein PS2 ist aus dem Stand weg brachial, dem i4 merkt man das Drehmomentdefizit an.
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Traktion. Der reine Hecktriebler i4 verliert recht schnell die Traktion auf der Hinterachse, gerade bei nasser Fahrbahn. Das ist allerdings auch den auf Effizienz getrimmten Reifen (Hankook Ventus S1 evo3*) geschuldet - es gibt auch Sportreifen.
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Wendekreis. Der i4 hat einen Wendekreis wie ein Bus (12,6m). Der PS2 liegt da über einen Meter drunter, das spürt man deutlich.
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Sicherheit. Dem i4 fehlen (auch voll ausgestattet) einige Sicherheitsassistenten, die der PS2 hat, siehe EuroNCAP.
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Höchstgeschwindigkeit. Der i4 schafft „nur“ 190 km/h. Für mich nicht so dramatisch, aber die vollen 200 wären schon nett gewesen.
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Design. Ich finde das zeitlose, schlichte Design des PS2 ansprechender. Der i4 sieht auch sehr schick aus, gerade von der Seite und von hinten ist er sportlicher. Aber die Schweinsnase muss man ausblenden können - dunkler Lack hilft. Von vorne ist der PS2 um Längen hübscher.
Was können beide gleich gut?
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Platz auf der Rückbank. Beide sind da sehr eingeschränkt, gerade im Kopfbereich.
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Kofferraum. Beide nicht gigantisch, die Grundfläche im BMW ist minimal weniger tief, aber die Höhe ist nutzbarer und die Hutablage ist weniger klapprig.
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Sitze. Nehmen sich nicht viel vom Komfort her, aber der Seitenhalt ist beim i4 etwas besser - er ist dadurch aber auch etwas enger, gerade im Bereich der Oberschenkel. Der PS2 hat stark hervorstehende Kopfstützen, die sind beim i4 verstellbar. Komfortabel und gut einstellbar sind beide Sitze.
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Soundsystem. Da sind sie ebenbürtig, der i4 ist in den Höhen etwas klarer, der PS2 hat die präziseren Tiefen. Der Subwoofer des (optionalen) HK-Systems im i4 nimmt 2/3 des Stauraums unter dem Koferraumboden weg.
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Laden. Von 10 auf 80% sind beide gleich schnell, außerhalb dieses Fensters hat der i4 die Nase leicht vorne (s.o.). Durch den größeren Akku beim i4 geht in der Zeit aber auch ein bisschen mehr Energie rein.
Insgesamt bin ich bisher sehr zufrieden mit dem i4, er ist für mich im Alltag komfortabler zu fahren und zu bedienen (insb. durch die bessere App). Regelmäßig stören tut mich nur das etwas taube Gaspedal (man gewöhnt sich aber dran und fährt dann runder als mit dem PS2) und das manchmal ruckartige Anhalten. Ich würde ihn zu dem Preis wieder kaufen - aber nicht für BLP (78k€).
So, nun wurde es doch ein halber Roman. Ich hoffe, dass es jemandem bei seiner Entscheidung hilft. Fragen beantworte ich natürlich auch gerne!